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Wolf: Alpwirtschaft in akuter Not, schnelles Handeln nötig

Der Alpsommer 2021 ist mit Verspätung gestartet. Doch kaum sind die Tiere aufgealpt, sind fast täglich Risse zu vermelden. Mehrere Alpen in den Kantonen Graubünden und Wallis mussten bereits wieder geleert werden. In vielen anderen Regionen der Schweiz wissen die Älpler und Tierbesitzer nicht mehr wie weiter, um das Leiden ihrer Tiere zu verhindern. Der Schweizerische Alpwirtschaftliche Verband (SAV) hatte vor der Entwicklung gewarnt, doch die Auswirkungen der Wolfsausbreitung wurden unterschätzt. Jetzt ist dringendes Handeln nötig. Zudem drängt sich eine Revision des Jagdgesetzes für eine wirksame Regulation des Wolfes auf.

Der Herdenschutz ist bereits an seinen Grenzen angelangt: Trotz Aufstocken der kantonalen Herdenschutzbudgets gibt es selten gute Lösungen, welche langfristig umsetzbar sind.

Belastungsgrenze überschritten – Alp wird aufgegeben

Die finanziellen Verluste aufgrund der gerissenen Tiere sind für die Alpverantwortlichen betriebswirtschaftlich wichtig, jedoch nicht die relevantesten Punkte. Drei Gründe führen bei starkem Wolfsdruck zur Aufgabe von Alpen:

  • Die psychische Belastung der Älpler ist zu hoch, wenn die ihnen anvertrauten Tiere unter der ständigen Beobachtung und Bedrohung der Wölfe stehen. Alppersonal springt regelmässig ab oder es kann keines gefunden werden.
  • Der Herdenschutz ist nach den aktuellsten Empfehlungen auf vielen Alpen nicht umsetzbar. Wo er umsetzbar wäre, ist die finanzielle Last längerfristig oft nicht tragbar, da der riesige zusätzliche Arbeitsaufwand nicht entschädigt wird.
  • Die Tierbesitzer verzichten auf eine Alpung, weil sie Angst vor Verlusten haben (wirtschaftlich und emotional), oder weil die Tiere nach miterlebten Angriffen verängstigt und aggressiv werden.

Herdenschutz: Funktioniert so nicht

Der Herdenschutz, wie er in der Schweiz betrieben wird, funktioniert mit der zunehmenden Wolfpopulation nicht. Einerseits sind immer mehr Risse aus Herden zu melden, die mit Zäunen oder Herdenschutzhunden gemäss Vorschriften des Bundes geschützt sind. Risse in einer aufwändig geschützten Herde sind für die Älpler besonders frustrierend. Andererseits melden Älpler vermehrt, dass die Akzeptanz von Wanderern, Bikern und Tourismusverantwortlichen gegenüber Herdenschutzhunden schwindet, es kommt häufiger zu Konflikten. Die Attraktivität einer Region nimmt ab, wenn sich Leute vor Schutzhunden fürchten. Zudem ist der administrative Aufwand und die Komplexität des Herdenschutzes enorm: Der Älpler muss eine 100-seitige Vollzugshilfe einhalten, damit die Herde als geschützt gilt. Auch dauert es viel zu lange von der Anmeldung bis zum ersten Einsatz von Herdenschutzhunden, in dieser Zeit bleibt die Herde ungeschützt. Das komplexe Anerkennungsverfahrung bindet enorme personelle Ressourcen für Beratung, Älpler und die zuständigen kantonalen Ämter (Vollzug). Es ist ebenfalls zu bemerken, dass es auf vielen Sömmerungsflächen z.B. aus topografischen Gründen offiziell gar keine Möglichkeiten für Herdenschutz gibt – die Tiere sind also dem Wolf ausgeliefert oder die entsprechende Alp muss entleert werden. Der SAV bemängelt ebenfalls, dass die Kriterien des Bundes, ob eine Fläche schützbar ist oder nicht, nicht an die Realität des alpinen Umfeldes angepasst sind.

Mit der Bundesverfassung in Konflikt?

Mit der Aufgabe der Sömmerungsgebiete und der Weidetierhaltung im Berggebiet werden die natürlichen Grundlagen für die landwirtschaftliche Produktion im Sömmerungsgebiet nicht mehr aufrecht erhalten. Die Weidetierhaltung ist die standortgerechte und naturnahe Produktionsart im Berggebiet. Aus Sicht der Alpwirtschaft ist es unverständlich, dass gerade diese Produktionsart dem Wolf geopfert werden soll. Kann eine Alp nicht mehr bewirtschaftet werden, so verliert sie für den Eigentümer augenblicklich ihren Wert, sie kann nicht mehr bestimmungsgemäss genutzt werden. Die Situation kommt somit einer Enteignung gleich. Auch die Pflege der Kulturlandschaft – Von grosser Bedeutung für Tourismus- und Erholungsgebiete – ist ebenfalls in der Verfassung verankert. Ohne Alp- und Weidewirtschaft wird aber das Berggebiet unter 2500 m komplett verwalden und verbuschen. Ein weiterer Aspekt ist die dezentrale Besiedelung: Ohne Alp- und Berglandwirtschaft geht eine wichtige wirtschaftliche Grundlage für entlegenere Täler verloren. Die Akzeptanz einer exponentiellen Ausbreitung des Wolfes ist aus Sicht des SAV mit verschiedenen anderen politischen Zielen klar in Konflikt.

Alpwirtschaft fordert umgehende Revision des Jagdgesetzes und Sofortmassnahmen

Um das oben erwähnte Szenario weitestgehend zu verhindern, fordert der SAV, dass das Jagdgesetz unter Berücksichtigung der erwähnten Aspekte rasch revidiert wird. Zudem müssen für Alpen, die im aktuellen Jahr wegen Wolfspräsenz entleert werden, Sofortmassnahmen getroffen werden. Wenn Schadschwellen erreicht werden, sind die Kantone zudem aufgerufen, die Abschussbewilligung schnell umzusetzen, um weitere Schäden zu verhindern.

Auskünfte:

Erich von Siebenthal, Präsident SAV und Nationalrat, Tel: 078 856 12 40
Andrea Koch, Geschäftsführerin SAV, Tel: 076 216 11 20; 031 382 10 10

Fotos zum Herunterladen: https://photos.app.goo.gl/VFU9E8w73EzyjVCp8

Informationsblatt: Detaillierte Erklärungen zum Wolf und der Alpwirtschaft

Bericht eines Betroffenen

Erklärung: die Bedeutung der Alpwirtschaft für die Schweiz
Das Sömmerungsgebiet macht rund ein Drittel der landwirtschaftlich genutzten Flächen der Schweiz aus. Deren Bewirtschaftung (Alpwirtschaft) ist für die Schweiz zentral: Für das touristisch geschätzte Landschaftsbild, für eine höhere Biodiversität und für den Erhalt der Lebensgrundlagen. Die Alpwirtschaft produziert naturnah, transparent und mit viel Freiheit für die Tiere. Die alpwirtschaftliche Produktion ist ein Kulturerbe, welches traditionelles Handwerk mit Innovation verbindet.

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